Das Wort zum Sabbat – Archiv
– Artikel vom 25.10.2025 –
Wissen wir, wie gesegnet wir sind?
Vor einigen Jahren wurden "All-you-can-eat"-Restaurants ("Iss so viel du kannst") in den USA populär. Sie waren als Büfett-Restaurants eingerichtet und man konnte sich dort zum Festpreis nach Belieben so oft bedienen, wie man wollte. Es gab Brot, Brötchen, Gemüse, Fleisch und Geflügel sowie natürlich auch Nachspeisen. Diese Restaurants, die heute größtenteils aus der Mode gekommen sind, luden geradezu zum übermäßigen Konsum ein – im Sinne des "Fressens" als Werk des Fleisches (Galater 5,21).
Bei Studenten, die bekanntlich oft knapp bei Kasse sind, waren "All-you-can-eat"-Restaurants beliebt. Deshalb freuten sich einige der mehrere tausend Studierenden der "University of South Alabama", als eine dieser Gaststätten in Mobile, Alabama ihre Türen öffnete. So kam es, dass einige Studenten einem Austauschstudenten aus Afrika eine besondere Freude machen wollten. Sie luden ihn ein, sie bei ihrem Besuch in der Gaststätte zu begleiten.
Offensichtlich hatte der Afrikaner so etwas noch nie erlebt. Er verhielt sich recht zögerlich, doch seine Begleiter ermutigten ihn, einen Teller zu nehmen und sich zu bedienen. Und das tat er. Er nahm Mais, Bohnen, Erbsen und ein kleines Hühnerbein auf seinen Teller sowie ein großes Glas Wasser. Er und die anderen Studenten setzten sich gemeinsam an einen Tisch und aßen. Da seine Portionen kleiner waren als die seiner Begleiter, war er vor ihnen mit dem Essen fertig. Und er bedankte sich bei den anderen für die Einladung.
Dann sagte einer der Studenten zu ihm: "Du kannst noch einmal ans Büfett gehen und deinen Teller füllen. Und vergiss nicht den Nachtisch, den kannst du dir auch aussuchen."
"Oh nein", meinte er, "ich möchte nicht, dass ihr nochmals für mich zahlen müsst."
"Das müssen wir nicht", antworten sie ihm. "Man zahlt hier nur einmal, und dann kannst du mehrmals ans Büfett gehen und so viel essen, wie du willst."
Der Afrikaner blieb jedoch sitzen. Seine Begleiter merkten, dass sich seine Augen mit Tränen füllten, die ihm dann übers Gesicht liefen. Sie fragten ihn besorgt: "Ist was? Ist dir schlecht?"
"Nein", sagte er. "Was ich gerade auf meinem Teller hatte und essen durfte, müsste bei mir zu Hause als Mahlzeit für eine kleine Familie reichen. Euer Land ist wirklich reich gesegnet und ich frage mich, ob ihr wirklich versteht, wie gesegnet ihr seid." Und er ging nicht noch einmal ans Büfett.
Dieses Erlebnis hat mich tief bewegt. Es ließ mich fragen, wie oft ich daran denke, was ich alles habe, anstatt mich mit den Dingen zu beschäftigen, die ich nicht besitze, aber gern hätte. Paulus schrieb: "Wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns daran genügen lassen" (1. Timotheus 6,7-8).
Franz Josef Strauß stellte vor etwas mehr als 40 Jahren fest, dass es noch keiner jungen deutschen Generation materiell so gut gegangen ist wie der damaligen, vor etwa 40 Jahren. Das könnte man heute wiederholen, und zwar in Bezug auf die Menschen im Allgemeinen in unseren westlichen Ländern. Der junge Afrikaner in dem "All-you-can-eat"-Restaurant erkannte es.
Wenn die ersten Christen sehen könnten, wie wir als Berufene heute leben, kämen sie nicht aus dem Staunen heraus. Dinge, für die sie viel Zeit und Mühe aufwenden mussten, schaffen wir mit einer Handbewegung oder -umdrehung: Licht einschalten, Wasser "holen" usw.
König David schrieb: "Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie den Gerechten verlassen gesehen und seine Kinder um Brot betteln" (Psalm 37,25). Und in seiner Bergpredigt sagte Jesus, dass Gott für uns sorgt.
Wir leben in einem Zeitalter des Materialismus. Das nächste Mal, wenn wir meinen, dass uns etwas fehlt, was wir gern hätten, fragen wir uns: Wissen wir, wie gesegnet wird sind?
In diesem Sinn wünsche ich allen einen gesegneten Sabbat.
In christlicher Verbundenheit
Paul Kieffer