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Das Wort zum Sabbat – Archiv

– Artikel vom 04.11.2017 –

Der Vorhang im Tempel

In der Stiftshütte und im späteren Tempel gab es zwei Räume: den vorderen Raum, das Heiligtum genannt, und einen kleineren hinteren Raum, das Allerheiligste. Getrennt wurden sie von einem Vorhang, der vor dem Eingang zum Allerheiligsten aufgehängt wurde. Nur einmal im Jahr, am Versöhnungstag, durfte ein Mensch, der Hohepriester, diesen hinteren Raum betreten. "Damit macht der heilige Geist deutlich, dass der Weg ins Heilige noch nicht offenbart sei", so der Autor des Hebräerbriefs (Hebräer 9,8).

Zur Zeit Jesu war dieser trennende Vorhang anscheinend ein massives Stück zusammengesetzter Stoffe. In seinem Buch "The Life and Times of Jesus the Messiah" schrieb der aus Wien stammende Jude Alfred Edersheim dazu: "Der Vorhang vor dem Allerheiligsten maß 40 mal 20 Ellen (ca. 20 mal 10 Meter) und war eine Handbreite dick. Er wurde in 72 Quadraten verarbeitet, die zusammengefügt wurden. Dieser Vorhang war so schwer, dass in der Sprache jener Zeit 300 Priester notwendig waren, um ihn zu bewegen." Edersheims Beschreibung wird in der rabbinischen Literatur jener Zeit bestätigt. Darin wurde behauptet, dass zwei Pferde, an den seitlichen Enden des Vorhangs befestigt, ihn nicht auseinander reißen konnten.

Darüber hinaus wurde festgehalten, dass jedes Jahr zwei Vorhänge neu angefertigt wurden. Wurde während des Jahres der Vorhang schmutzig, waren -- wie Edersheim schrieb -- 300 Priester notwendig, um ihn abzuhängen und zu waschen, um den Schmutz zu entfernen. Edersheim fügte noch hinzu: "Wenn der Vorhang der im Talmud enthaltenen Beschreibung nur annähernd ähnelte, konnte es nicht durch ein Erdbeben oder den Sturz der darüber liegenden Oberschwelle zerrissen worden sein."

Diese Beschreibung ist interessant, zeigt sie uns doch, dass kein Mensch in der Lage war, sich Zugang zum Allerheiligsten durch eigene Kraft zu verschaffen, indem er den Vorhang durchtrennt hätte. Heute haben wir freien Zugang zum Thron Gottes, aber "nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten" (Titus 3,5) -- nicht durch eigene Kraft oder Anstrengung bzw. durch eigenes Bemühen. Stattdessen war es Jesus, der "durch sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen" ist (Hebräer 9,12), womit der Vorgang durchtrennt wurde: "Jesus schrie abermals laut und verschied. Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus" (Matthäus 27,50-51).

Deshalb dürfen wir der Aufforderung des Autors im Hebräerbrief nachkommen: "Lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben" (Hebräer 4,16).

In diesem Sinn wünsche ich allen einen gesegneten Sabbat.

In christlicher Verbundenheit

Paul Kieffer

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