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Das Wort zum Sabbat – Archiv

– Artikel vom 10.05.2014 –

Kulturbruch: Maria Magdalena als Beweis

In der Kultur des Römischen Reiches übte ein Ehemann vollständige Kontrolle über seine Frau aus. Der Status von Frauen war dem Sklaventum nicht weit entfernt. Ehefrauen aßen nicht gemeinsam mit den von ihren Männern geladenen Gästen. Ohne männliche Begleitung durften sie das Haus nicht verlassen, und Ehebruch seitens der Frau konnte mit dem Tod bestraft werden. Solche Zustände erinnern an den Status von Frauen im strenggläubigen fundamentalistischen Islam.

Der Status von Frauen in der jüdischen Kultur jener Zeit war besser als in der römischen, doch Frauen waren den Männern in mancher Hinsicht nicht ebenbürtig, beispielsweise im Rechtswesen. Im Talmud liest man: "Obwohl die Frau dem Gesetz unterstellt ist, ist sie als Zeugin untauglich" (Baba Kamma 88a). Der jüdische Historiker Josephus bestätigt diese Geringschätzung: "Auch soll das Zeugnis der Weiber nicht zulässig sein wegen der ihrem Geschlechte eigenen Leichtfertigkeit und Dreistigkeit" (Josephus, "Jüdische Altertümer", 4:219).

Doch wen beauftragte Jesus als Erste, seine Auferstehung von den Toten zu bezeugen?

"Aber der Engel sprach zu den Frauen [Maria von Magdalena und die andere Maria]: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen" (Matthäus 28,5-10).

Angesichts solcher Vorstellungen ist es äußerst bemerkenswert, dass Jesus eine Frau – Maria Magdalena – die Kunde von seiner Auferstehung seinen männlichen Jüngern überbringen lässt. Vor dem Hintergrund obiger Zitate war das eigentlich ein radikaler Bruch mit der Kultur jener Zeit. Vier männliche Autoren, die bereits genannten Evangelisten, bezeugen übereinstimmend, dass eine Frau als erste Person dem auferstandenen Jesus begegnet ist und von seiner Auferstehung berichtete. In unserer liberalen westlichen Gesellschaft ist uns die Tragweite dieser Darstellung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. nicht bewusst.

Jesus wusste genau, dass Maria Magdalena die Nachricht wahrheitgemäß weitergeben würde. Die neutestamentlichen Schreiber müssen von der Wahrhaftigkeit ihrer Darstellung überzeugt gewesen sein. Ihre Schilderung, da sie auf den Aussagen einer Frau beruhte, wäre für ihre Zeit allein aus diesem Grund eher unglaubwürdig gewesen. So hat Jesus dafür gesorgt, dass dieser Teil des biblischen Berichts praktisch nur als interner Beweis für dessen Richtigkeit betrachtet werden kann.

In diesem Sinn wünsche ich allen einen gesegneten Sabbat.

In christlicher Verbundenheit

Paul Kieffer

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